Ziele

Grundlagen

Seit dem Schuljahr 1984/85 führt das Kultusministerium Baden-Württemberg ein Programm zur Förderung von besonders befähigten Schülerinnen und Schülern durch. Dieses Programm bildet den organisatorischen Rahmen für eine Vielzahl von Arbeitsgemeinschaften aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen und dem sprachlich-literarischen Bereich an einzelnen Schulen. Daneben finden schulübergreifende Aktivitäten wie Wettbewerbe und Seminare statt.

Zu den landesweiten Vorhaben gehörten bereits seit 1985 Seminarveranstaltungen für die Preisträger am Bundeswettbewerb Mathematik aus Baden-Württemberg. Die Gespräche mit den Seminarteilnehmern deckten sich mit den Beobachtungen zahlreicher Kollegen, dass dieser Wettbewerb eigentlich zu spät ansetzt und bei den Teilnehmern Fähigkeiten voraussetzt, die sie in der Regel nicht im Unterricht erworben haben. Die Jugendlichen haben häufig bedauert, dass sie erst in der Oberstufe mit dem BWM in Kontakt kamen. Hier sollte nach gemeinsamer überzeugung durch einen Mittelstufenwettbewerb eine Ergänzung angeboten werden. Aus Teilnehmern der vorbereitenden Tagungen des Förderprogramms bildete sich eine Arbeitsgruppe, die das Konzept für den Landeswettbewerb Mathematik entwickelte und danach vom Kultusministerium mit der Durchführung beauftragt wurde.

Ab dem Wettbewerbsjahrgang 1998 hat sich das Kultusministerium Bayern dem Mittelstufenwettbewerb angeschlossen. Die Auswahl der Aufgaben erfolgt gemeinsam. Um die Organisation überschaubar zu halten, werden die eingereichten Arbeiten nach Ländern getrennt korrigiert, aber nach dem gleichen Erwartungshorizont bewertet.

Zielsetzung

Wir verstehen den Landeswettbewerb Mathematik als eine schulübergreifende Form der Begabtenförderung. Er soll für jüngere Schüler eine Anregung sein, ihre mathematische Begabung zu testen und weiter zu entwickeln. Die Bearbeitung von komplexeren Problemen übt gerade auf Schüler der Unter- und Mittelstufe einen großen Reiz aus. Ein Wettbewerb kann so die Initialzündung sein, sich überhaupt einmal selbstständig mit mathematischen Fragestellungen zu beschäftigen.

Besonders bei den komplex begabten Jugendlichen ist es wichtig, schon in der Mittelstufe ansprechende Förderungsmöglichkeiten anzubieten und sie mit ähnlich interessierten Altersgenossen in Kontakt zu bringen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass ein Mittelstufenwettbewerb und die sich daran anschließenden Seminare diese Aufgabe übernehmen können.

Überlegungen zur Aufgabenauswahl

Bei der Auswahl der Aufgaben gehen wir davon aus, dass die Problemstellungen den Schülern nicht fremdartig und die Lösung - wenn auch unter Schwierigkeiten - erreichbar erscheinen sollen. Außerdem soll es zu den ersten vier der sechs Wettbewerbsaufgaben der ersten Runde mindestens eine Lösung geben, zu der die erforderlichen Kenntnisse zum Zeitpunkt des Wettbewerbs normalerweise auch bei den Schülern der Klassenstufe 8 vorhanden sind. Wichtig ist auch eine motivierende Einstiegsaufgabe, für die z.B. durch gezieltes Probieren mit kleinen Zahlen oder durch eine exakte Zeichnung rasch eine Lösungsidee entdeckt werden kann, so dass die Jugendlichen zum Mitmachen angeregt werden.

Das rasche Entdecken einer Lösungsidee bedeutet nun nicht, dass diese Aufgaben von den Teilnehmern in allen Fällen erfolgreich bearbeitet werden. Manchmal führt der schnelle Zugang auch dazu, dass nur Sonderfälle betrachtet werden.

Neben diesen Einstiegsaufgaben enthält jede Wettbewerbsrunde auch Problemstellungen, die durch einen zunehmenden Schwierigkeitsgrad eine Auswahl der Preisträger zulassen. Bewährt haben sich dabei besonders Aufgaben, bei denen Teillösungen möglich sind.

Eine der Hauptfehlerquellen bei Schülerinnen und Schülern , die erstmals teilnehmen, besteht darin, dass ein erforderlicher allgemeiner Nachweis durch Zahlbeispiele bzw. Zeichnungen ersetzt wird. Dies trifft nicht nur für die Teilnehmer der unteren Jahrgangsstufen zu. Allerdings konnten wir in den vergangenen Jahren bei einer ganzen Reihe von jüngeren Schülern feststellen, dass sie sich von anfänglichen Misserfolgen nicht abschrecken lassen und in den folgenden Jahren mit zunehmendem Erfolg wieder am Wettbewerb teilnehmen.

Die Einführung von G8 stellt uns seit einigen Jahren nun vor weitere Probleme. Es wird zunehmend schwieriger, geeignete Probleme aus den Bereichen Zahlentheorie (Stichwort: Teilbarkeit) und Geometrie auszuwählen, da besonders in diesen Bereichen durch die Bildungsstandards eine Schwerpunktverlagerung stattgefunden hat.

Im Bildungsplan ab 2016 ist erfreulicherweise der Bereich Zahlentheorie in den Klassenstufen 5 und 6 wieder stärker akzentuiert, hingegen ist festzustellen, dass die Geometrie als klassisches Feld für Begründungs- und Beweisaufgaben weiter geschwächt wird.

Entwicklungen

In den ersten beiden Jahren wurden mit 485 bzw. 608 Teilnehmern die prophezeite Beteiligung und auch unsere Erwartungen deutlich übertroffen. Auf Grund dieser Teilnehmerzahl haben wir uns dann entschlossen, eine zweite Runde einzuführen, da wir nur eine begrenzte Kapazität für die mathematischen Seminare haben, zu der die ersten Preisträger eingeladen werden sollten. Wir wollten aber das Anforderungsniveau in der ersten Runde nicht erhöhen, da nach unserer gemeinsamen Ansicht zunächst die Motivation zur Beschäftigung mit mathematischen Problemen im Vordergrund stehen sollte. Auch eine Verschärfung der Korrektur schien uns ungeeignet.

Durch die Aufteilung in zwei Durchgänge bietet sich die Möglichkeit, in der ersten Runde den Gedanken der Motivation in den Vordergrund zu stellen, und dann die Ergebnisse der schwierigeren zweiten Runde zur Auswahl der Seminarteilnehmer heranzuziehen.

Die Einführung von G8 und die damit verbundene höhere Belastung der Schülerinnen und Schüler in der Schule haben sich bislang noch nicht erkennbar nachteilig auf die Teilnehmerzahlen ausgewirkt. An der ersten Runde nehmen in der Regel ca. 600 bis 700 Schülerinnen und Schüler teil. Die genauen Zahlen finden sich in der Rubrik Statistik.

Mit einem relativ stabilen Anteil von etwa 40% bei den Teilnehmern in der ersten Runde ist der Anteil der Mädchen für einen mathematischen Wettbewerb geradezu sensationell hoch.

Während in den Anfangsjahren nur jeweils die ersten Preisträger der ersten Runde an der zweiten Runde teilnehmen, können seit 1992 auch die zweiten Preisträger an der zweiten Runde teilnehmen. Die positiven Erfahrungen haben dazu geführt, dass diese Regelung seither beibehalten wird. Sie bietet vor allem den erstmals teilnehmenden Schülerinnen und Schülern eine größere Chance, sich für die Seminarteilnahme zu qualifizieren. Es zeigt sich nämlich, dass Einsteiger besonders bei der Darstellung der Lösungen zunächst Probleme haben, die bei wiederholter Teilnahme durch einen gewissen Trainingseffekt geringer werden.

Derzeitige Organisationsform

Für die Auswahl der Aufgaben und die Erstellung der Korrekturunterlagen ist eine Arbeitsgruppe verantwortlich, der in der Regel acht ständige Mitglieder angehören. Sie bereitet auch die Seminare inhaltlich vor und führt sie durch. Bei den Korrekturen und Seminaren werden wir derzeit von zwölf bis fünfzehn Kolleginnen und Kollegen unterstützt. Zudem steht an etwa 150 Schulen eine Kontaktlehrerin bzw. ein Kontaktlehrer den Jugendlichen als Ansprechpartner zur Seite. Die Erfahrungen zeigen die Bedeutung eines Ansprechpartners vor Ort. Gerade in dieser Altersgruppe ist es wichtig, dass sich eine Lehrerin oder eine Lehrer nach Fortschritten bei der Lösung erkundigt. Dieses persönliche Interesse spornt zum Durchhalten an und hilft Rückschläge zu überwinden.

Der Landeswettbewerb Mathematik richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschulen, Realschulen und Gymnasien bis einschließlich Klassenstufe 10. Die Unterlagen für die erste Runde werden Mitte September an die Schulen versandt. Zu diesen Unterlagen gehören Plakate und Aufgabenblätter, die neben den Aufgabentexten und den Teilnahmebedingungen noch eine Lösung zu einer Aufgabe aus dem vorherigen Wettbewerb enthalten. Dadurch sollen Hinweise zur Darstellung von Lösungen gegeben werden.

Die Jugendlichen haben dann ca. sieben Wochen Zeit, vier der sechs Wettbewerbsaufgaben zu bearbeiten. Um die unterschiedlichen Kenntnisse auszugleichen, wird den Schüler bis zur Klassenstufe 9 die Möglichkeit eingeräumt, vier der sechs Aufgaben frei auszuwählen, während für die Teilnehmer aus der Klassenstufe 10 nur die Lösungen zu den Aufgaben 2 bis 6 gewertet werden. Diese Auswahlmöglichkeit für die jüngeren Schüler wurde 1990 eingeführt. Sie hat sich sehr bewährt und erleichtert zudem der Aufgabenkommission die Auswahl, die Formulierung und die Anordnung der Aufgabentexte. Ein beobachtbarer leichter Rückgang bei den Teilnehmerzahlen in der Klassenstufe 10 hat uns dazu bewogen, auch für diese Schülergruppe eine Auswahlmöglichkeit anzubieten. Seit 2009 können diese Schülerinnen und Schüler vier der Aufgaben 2 bis 6 frei auswählen.

Seit dem elften Wettbewerb, der im September 97 begann, ist in der ersten Runde Gruppenarbeit möglich. Bis zu drei Schülerinnen und Schüler können die Aufgaben gemeinsam bearbeiten. Diese Einsendungen durchlaufen das gleiche Korrekturverfahren wie die übrigen Arbeiten. Wird eine Gruppenarbeit mit einem ersten oder zweiten Preis bewertet, so können die Gruppenteilnehmer an der zweiten Runde als Einzelstarter teilnehmen und sich so für ein Seminar qualifizieren.

Nach Einsendeschluss werden die Arbeiten nach Schulen sortiert an die Korrektoren versandt. Als Grundlage für die Korrektur werden detaillierte Hinweise beigelegt, in denen neben allgemeinen Vorgaben zur Korrektur fehlerhafte Schülerlösungen in Form von Fallbeispielen mit den vorgesehenen Punktabzügen aufgelistet sind. Diese Fallbeispiele entstammen einer Vorkorrektur von frühzeitig eingesandten Schülerarbeiten. Dabei korrigieren mehrere Mitglieder der Arbeitsgruppe die gleichen Schülerarbeiten und legen in einer Diskussionsrunde die endgültige Bewertung fest.

Im Dezember erhalten die Schüler die vier Aufgaben der zweiten Runde persönlich zugesandt, von denen sie drei bearbeiten sollen. Die erfolgreichsten Teilnehmer werden dann zu einem der beiden Seminare eingeladen, wobei die große Mehrheit der Eingeladenen teilnimmt. Die wenigen Absagen werden in der Regel mit Studienfahrten oder Auslandsaufenthalten begründet.

Seit dem Jahr 2016 führen wir, unterstützt von Spenderfirmen bzw. Stiftungen, die Preisverleihung an die erfolgreichen Teilnehmer der zweiten Wettbewerbsrunde durch, in den letzten Jahren abwechselnd in Heidelberg und Heilbronn. Im Rahmen dieser Preisverleihung werden auch besonders erfolgreiche Schulen geehrt werden.

Außenwirkung

Der Landeswettbewerb Mathematik und die Seminare für die Preisträger nehmen einen festen Platz im Förderprogramm für besonders befähigte Schülerinnen und Schüler des Landes Baden-Württemberg ein. Wie Rückmeldungen der Teilnehmer, ihrer Eltern und Lehrer zeigen, ist für den einzelnen Jugendlichen die Erfahrung der persönlichen Leistungsfähigkeit und der Kontakt mit den anderen Seminarteilnehmern von großer Bedeutung. Diese Kontakte setzen Anreize zur Beschäftigung nicht nur mit mathematischen Fragestellungen und fördern dadurch die gesamte Persönlichkeitsentwicklung. Die Bedeutung des Wettbewerbs lässt sich auch an der Teilnehmerzahl und den Erfolgen der baden-württembergischen Schüler am Bundeswettbewerb-Mathematik (BWM) ablesen. Eine Untersuchung der Erfolgschancen beim Bundeswettbewerb zeigt, dass diese mit der vorherigen Teilnahme am Landeswettbewerb Mathematik deutlich steigen. Der Landeswettbewerb Mathematik und die sich anschließenden Seminare für die Preisträger der zweiten Runde haben auch dadurch ihre wichtige Funktion bei der Entdeckung und Förderung von mathematisch begabten Jugendlichen unter Beweis gestellt. Dass mit dem Landeswettbewerb nicht nur eine Breitenförderung stattfindet, zeigen nicht nur die zahlreichen Bundessieger des BWM aus Baden-Württemberg, sondern auch die baden-württembergischen Mitglieder der deutschen Mannschaft für die internationale Mathematikolympiade, die häufig vorher am Landeswettbewerb und unseren Seminaren teilgenommen hatten.

Seminare für Juniorstarter des Landeswettbewerbs

Zur Förderung der ganz jungen Teilnehmer am Landeswettbewerb werden seit 2008 sogenannte Juniorstarter-Seminare durchgeführt. Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 6 und 7 erhalten eine Einladung für ein Seminar an einem Samstag, das an mehreren Standorten in Baden-Württemberg durchgeführt wird. In diesen Seminaren versuchen wir behutsam, inhaltliche Lücken zu schließen (Teilbarkeit und Primzahlen) und einfache heuristische Strategien zu vermitteln, die den Teilnehmern die Voraussetzungen für eine noch erfolgreichere Teilnahme in nachfolgenden Jahren geben.

Bundesweites Förderprogramm „Jugend trainiert Mathematik“

Zur Förderung mathematischer Spitzenbegabungen hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2007 das Programm "Jugend trainiert Mathematik" ins Leben gerufen. Es wendet sich an Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 10. Zu seinen Zielen zählt es, die Teilnehmenden an das Niveau der beiden anspruchsvollsten bundesweiten Mathematikwettbewerbe, den Bundeswettbewerb Mathematik und die höheren Stufen der Mathematik-Olympiaden, heranzuführen.

Die baden-württembergischen Kandidatinnen und Kandidaten dieser Fördermaßnahme werden in Zusammenarbeit mit der Mathematikolympiade aus dem Teilnehmerkreis des Landeswettbewerbs und der Mathematikolympiade ausgewählt.